Helgolandmarathon (21.05.2016)oder :Gewonnen und doch verloren

Helgolandmarathon 2016 oder „gewonnen und doch verloren“ (im 12. Spiel auf Helgoland die erste Niederlage)
In diesem Jahr war die Vorbereitung bis hier hin der vollkommene Gegensatz zum letzten Jahr: Durch das Reinschnuppern in die Ultraläuferszene,wurden von Januar bis Mai ca. 1300km absolviert und die kurzen schnellen Intervalle etwas vernachlässigt.Mein Jahresziel (Halbmarathon unter 1:30 h und Marathon unter 3:20) wurde bereits im Februar/März schon geschafft(1:27 h und 3:17 h),so dass ich eigentlich ohne Druck an die Nordsee reisen konnte, wenn da nicht der Ehrgeiz wäre, auch hier die Zeit vom Vorjahr (3:26 h) zu knacken und unter die Top 10 (Vorjahr 15.)zu kommen. Ich nehme da gerne Ex-Fußball-Nationaltorwart Oli Kahn zum Vorbild („ Du mußt weitermachen,immer weitermachen, es geht immer höher,immer besser!“)Das Zitat ist jedes Jahr Grund genug,mich zu Höherem (Schnellerem )zu motivieren und auch die Ziele ins Unermeßliche zu steigern.So steht,durch die Bekannten im Ultra-Kreis auch ein Lauf über 100km auf dem Plan und beim Training darauf absolvierte ich dieses Jahr schon so manchen 50km Trainingslauf-mal eben…. Liegt es daran, dass ich mit meiner Großmutter, die ich 2 Tage nach dem persönlichen „Lebensziel“von unter 3:30 h zu kommen, verstarb,auf einmal andere Seiten des Lebens kennenlernte und jeden Lauf dazu nutzte, die Trauer zu verarbeiten und mich durch den Sport abzulenken, ich weiß es nicht, aber irgendwie scheint da etwas dran zu sein…

Auch in diesem Jahr reiste ich wieder Donnerstag in der Früh nach Helgoland an,um mit den Klimabedingungen schonmal klarzukommen und zu akklimatisieren . Da ich dieses Jahr zum 12. mal hier starte, gelte ich als gern gesehener Stammgast und die Organisation bat mich ,dass ich das Briefing durchführen sollte. Diesem Wunsch kam ich gerne nach und so wurde den Interessierten die Strecke genauer erläutern, wo Gefahren lauern, wo VPs (Verpflegungspunkte!) stehen und was es zu beachten gibt.
Am Abend vorher gibt es für als Teilnehmer bei dieser sehr familiären Veranstaltung eine große Pataparty in der Jugendherberge, wo ich auch immer unterkomme.Da werden bei einem Abendessen schonmal 3-5 Gänge „zelebriert“ , um die Kohlenhydratspeicher gut aufzufüllen und somit den ggfs. eintretenden Leistungseinbruch weit rauszuzögern.Dafür zuständig ist natürlich auch der Trainingszustand.Ich bin jetzt bei meinem 34. offiziellen Marathon und der ca. 45.. Marathonstrecke,die ich laufe, aber dieser einzige Hochseemarathon der Welt ist immerwieder etwas Besonderes: Jedes Jahr bekannte Gesichter, Teilnehmer von Minimarathon für die Jugend bis hin zu über 75 jährigen Läufern.
3 Std. vor dem Start ,um 06.00 h ist Aufstehenszeit, frühstücken,so das man die restliche Zeit zum Ruhen und zur mentalen Vorbereitung nutzt. Ich bin da sehr eingefahren in diesen Dingen und für mich zählt der Kopf beim Laufen; er ist der stärkste Muskel beim Laufen! Um Punkt 09.00 ertönt eine Schiffssirene als Startsignal und dann werden fünf Runden über die Insel absolviert, wobei in jeder Runde die Steigung zum Oberland und Abstieg ins Unterland zu absolvieren sind.In der Summe kommt man auf den 42km auf ca. 350 Höhenmeter. Ein paar Zahlen als Durchgangszeit halte ich immer parat, um zu wissen, ob ich das Ziel erreiche. Dass ich meist zu schnell angehe, mache ich seit dem ersten Marathon 2004, aber seither habe ich gelernt, mir Kräfte einzuteilen und als „Doping“ sind immer Datteln in der Tasche, die schneller Energie zuführen,als z.B. Bananen,die erst wirken,wenn man meist unter der Dusche steht.
Ich schreibe diesen Artikel bewußt ausführlich, damit Außenstehende einen kleinen Einblick in den Sport bekommen,weil ich immerwieder gefragt werde, wie ein Ablauf einer solchen Veranstaltung aussieht und wie man sich auf die Belastung vorbereitet.
Eine spezielle Marathonvorbereitung geht für geübte Läufer intensiv über 12 Wochen vor Veranstaltung und beinhaltet mind. 3 Trainingseinheiten pro Woche .Mein Plan wurde aufgrund der sehr hohen persönlichen Ziele auf 5 Einheiten in der Woche erweitert,weswegen auch der hohe Kilometerumfang zustande kommt(ca. 80-100km/Woche)
2 Wochen vorher absolvierte ich am Rande der Eifel noch einen 10km Wettkampf, der für mich der Letzte vor Helgoland sein sollte. Eine angenehm bewaldete Strecke bei sommerlichen Temperaturen um 27 Grad und ich „haute“ nochmal alles raus, aber wieder nichts mit der 40 Minuten Schwelle, die zu unterbieten, ich kam nach 40:38 ins Ziel.Verärgert war ich nur, dass ich bei einer Platzierung als Gesamtneunter nichtmal in meiner Altersklasse einen Treppchenplatz erreichte, aber freute mich ,wiedermal eine persönliche Bestzeit gelaufen zu sein.Das macht die gesunde Ernährung und dass ich seit 2 Jahren keinen Alkohol mehr trank. Ein Versprechen, das ich an dieser Stelle schonmal publik machen möchte: Wenn es mir jemals gelingt, einen Marathon unter 3 h zu erreichen, höre ich auf mit dem Leistungssport und werde mich den Ultraläufen über Mehrstundenläufen und Überdistanzen(ab 50km) hingeben. In diesem Bereich gibt es so viele Ziele,die es lohnt, zu erreichen. Ein Beispiel ist die „TortourdeRuhr“ über 230km,bzw. den „Bambinilauf“ über 100km..
Es klingt überheblich, aber ich bin mir sicher, dass Marathon für jeden, er gesundheitlich in der Lage ist, machbar ist,aber läuft man zuviel Marathons, kehrt Langeweile ein und man will immer höher- immer weiter!!! Nun bin ich also am Scheideweg und kann nach der Generalprobe auf 10km gelesen auf die Insel fahren.Mich kann eigentlich nur das Wetter aufhalten, bei diesem wichtigsten Lauf eines jeden Frühjahres!
Bei meiner Anreise kam es mir vor,als wäre ich im Urlaub: Sonne ,20 Grad, windstille,einladend warm, um mal ins Meer zu gehen. Dass es mit ca. gefühlten 10 Grad Wassertemperatur recht kalt wurde, merkte ich erst, als ich mich wie beim Neujahrsschwimmen einfach reinschmiß. Ich genoß im Folgenden die Sonne und merkte irgendwie ein leichtes Übertraining in den Beinen und befürchtete schon Schlimmes für Samstag. Es wurden abends nur noch Dinge vorbereitet, die die Organisation der VPs betraf und durch Zufall erhielt ich die gleiche Startnummer, die ich schon im Vorjahr hatte. Positiv- und Negativomen brachten meine Stimmung durcheinander und dazu das Luxusproblem:Welche der 3 Paar Schuhe ziehe ich beim Lauf an…? Im nächsten Leben werde ich eine Frau, da könnte es nicht komplizierter vom Denken her sein:-)
Tag zwei begann sehr windig und es stand ein Testlauf über eine Runde auf dem Plan, die bei leichtem Sprühregen absolviert wurde. Ab Mittag steckte ich etwas in der Organisation drin, durfte vor vielen Interessierten zweimal das Streckenbriefing abhalten. Etwas schauderte es mich vorm morgigen Wetter, wo 6 Windstärken angesagt sind und leichte Bewölkung .

Tatsächlich kam es aber ganz anders: Zum Schuhtest am Rennmorgen um 06.00 h war es strahlender Sonnenschein, fast Windstille und 14 Grad. „Das wird eine ganz heiße Kiste!“, dachte ich noch so und die Motivation stieg minütlich.
Dann war es soweit: 9: 15 h Start zu meinem 33. Wertungsmarathon,dem 3. letzten in diesem Jahr und meinem Wichtigsten. Mit dem Vorjahressieger ,der regelmäßig den Bremenmarathon gewinnt (Oliver Sebrantke) ging ich das Rennen für meine Verhältnisse zu beherzt an, aber wir konnten uns gut unterhalten, also lief alles richtig, dachte ich. Zu uns gesellten sich noch andere Topläufer, so dass wir über die erste von 5 Runden eine gute Führungsgruppe hatten,aber ich baute ab und nahm etwas „Schärfe“ raus, hielt mein Level auf 14km/h(+/-) und hatte die ersten 3 Runden nach 2 Std. absolviert. Ich freute mich, dass ich auf Kurs 3:20 war, alles ,wie im Vorfeld ausgerechnet… Jetzt noch 2 Runden zu je 40 Minuten und das Ding ist im Sack. Aber dann kam etwas, womit keiner der gesamten Läufergruppe rechnete. Aus dem zunächst noch böigen Wind, der einem im Oberland zu schaffen machte, wurde nichtmal mehr ein laues Lüftchen,die Luft stand und die Sonne verschwand hinter einer dünnen Wolkendecke, aber stach mit aller Gewalt zur Mittagsstunde auf das Eiland runter. Es war schwül und drückend. Das Tempo war nicht mehr zu halten, da die Kraft in der Muskulatur minütlich schwand. Ich legte seit langer Zeit bei einem Marathon wieder Gehpausen ein, weil schier gar nichts mehr ging, aber ich versuchte zu holen, was zu holen ist. Ich korrigierte meine Wunschzeit auf 3:30 h runter, aber es wurde unangenehmer denn je und das „Leiden der Läufer“ begann… Ich spürte Ohnmacht, aber war zu kaputt um aufzugeben. Ich weigere mich etwas abzubrechen, was ich begonnen habe, dadurch wird die Hemmschwelle im Kopf nur noch niedriger angesetzt, es wieder zu tun. Als ich in der letzten Runde merkte, das nichtmal das runtergeschraubte Ziel zu halten war, nahm ich mir Zeit, ordentlich zu essen und zu trinken und machte aus dem anfangs ambitionierten Vorhaben einen Genusslauf,was meinem Inneren mächtig widerstrebte, aber die Beine machten „dicht“. Schmerzen waren überhaupt nicht zu spüren, es war einfach nur Blockade durch Ermüdung und ich freute mich nur noch auf die Massage und das heiße Bad nach dem Lauf. Ich versuchte Schadensbegrenzug zu betreiben, indem ich versuchte, mich gegen vermeintliche Altersklassenkonkurrenten zu behaupten,konnte aber an der für mich peinlichen Zielzeit von 3:42:27 h auch nichts mehr ändern.Der Lauf war eine gefühlte Niederlage! Ein Tritt in den Allerwertesten!Scheiße!

Nun steht in 2 Wochen Stockholm auf dem Wettkampfplan und bis dahin werde ich weitere Ursachenforschung hinter mir haben und taktisch ein anders Rennen liefern.
Im Ziel beim Urkundendruck die Überraschung: Anhand der Ergebnislisten war auszumachen, dass das komplette Läuferfeld fast um eine Viertelstunde schlechter war, als im Vorjahr (ich selbst verzeichnete 16 min langsamer!) und auch der Vorjahressieger büßte 13 Minuten ein..Trotz dieser Zeit holte ich in meiner Altersklasse doch noch den zweiten Rang.(den Kampf gegen das Ich gewonnen(mentale Stärke!),aber mit der Zeit verloren…9Mit dem Glaspokal bei der Siegerehrung hatte ich doch noch etwas gefunden, was ich einem Jahr nach ihrem Tod, meiner Oma widmen konnte und das baute mich wieder etwas auf, auch wenn die Unzufriedenheit über die Zeit bleibt und es keiner der Bekannten verstehen konnte. Aber so bin ich.
In 4 Wochen ist ein Spendenlauf über 24 h für den geplanten Niedrigseil- Klettergarten für die Kohlbergschuhe Grundschule Kohlberg geplant. Hierzu sind alle eingeladen sich zu beteiligen und jeden Kilometer mit einer Summe X zu subventionieren. Der Nachweis erfolgt über die Urkunde, die dann die gelaufene Distanz Aufschluss gibt. Bitte nicht den Fehler machen und 3:42 h ^(=42km)linear hochrechnen,dann wäre ich selbst etwas überrascht, aber das Ziel sind 100km +X

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Author: runningmanblog

Ich bin Christoph, 39 Jahre alt (Baujahr 1977),bin über den Fußball früher in der Jugend an den Sport gekommen, habe nach einen Unfall mit Halbseitenlähmung 1998 den Kampf mit mir selbst aufgenommen und in der Reha gesagt:"Wenn ich jemals wieder laufen kann(was man damals noch nicht wußte...),mache ich etwas , was nicht jeder macht:Ich laufe (einen)Marathon. -nunja, das ist jetzt fast 20 Jahre her,wettkampfmäßig liegen 30 Marathons hinter mir, viel Trainingsdistanzen über Marathon, einige Ultras, ein 24 Std. Lauf, unzählige Halbmarathonläufe und Stadtläufe über 10 km,aber eins ist das Schöne am Laufen :Man hat immerwieder Ziele und wird rastlos,kommt nie zur Ruhe.Wie sagte der Welttorhüter Oli Kahn damals ,als er die "last-minute Meisterschaft 2001 in Hamburg gewann?: Du mußt weitermachen-immer weitermachen,denn es geht noch höher,noch weiter". Irgendwann war er Weltcupsieger,Weltmeister und gewann die Champions-League. Ungut,meine Ansprüche sind nicht so hoch, aber der Ehrgeiz ist ähnlich wie bei Oli Kahn,auch die Verbissenheit, aber das wir in den Berichten, die ich nach diesem Eintrag erst beginne zu schreiben,noch deutlich. Beruflich führt mich mein Weg durch den Gartenbau,ein manchmal nerviges Geschäft,nicht umsonst habe ich versucht, dich Zusatzausbildungen (Lauftrainer,Personal-Trainer usw.) ein Standbein in dem Bereich aufzubauen,wobei mir das Erreichen der eigenen Ziele aber erstmal ganz obenan steht. Ihr werdet im Lauf der Berichte, die ich nach und nach aus der Schublade hole, erfahren, was so alles in mir vorgeht, welche Denkweisen , Erfahrungen mich zu welchen Entscheidungen lenkten. Natürlich kommt an der ein oder anderen Stelle auch mal Privates zutage,so dass es im weitesten Sinne eine Lebensgeschichte wird...

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